Literarische Baustellen, lieber Leser, gibt es zuhauf. Ich bin von literarischen Baustellen umzingelt. So kommt es, dass ich viel unterwegs bin, immer dahin, ja Dahin, sage ich, dorthin, wo mein Leben Nahrung findet.
Der geografische Ort, an dem ich gerne verweile, ist das Paradies 4. Es befindet sich in Österreich, im Osten der Steiermark. Aber selten bin ich zu Hause, selten lassen die Baustellen dies zu.
Damals, am 22.April, befand sich die Baustelle, von der ich heute berichte, in Le Grand Pressigny in der Tourraine. Ich recherchierte ein Detail : wo befand sich die älteste Waffenfabrik unserer Welt?
Eine Antwort hoffte ich in „Le Grand Pressigny“ zu finden, in dem dort errichteten prähistorischen Museum. Schon das Ankommen versprach Spannung.
Prähistorisches Museum | Foto: Ghimel Lehmig ©
Im Eingangsbereich vom prähistorischen Museum schaute mir entschlossen ein wild aussehender Mann ins Gesicht, Neandertaler stand auf dem Plakat. Mir kam vor, als ob er mir schon einmal begegnete. Das kann doch nicht der Lüpertz sein, sagte ich mir. Wer weiß, sagte ich mir, wenn er sein Aussehen ändert und noch Haare zeigt und man den Dandy vergisst, könnte ein Ahne sich zu erkennen geben.
Lüpertz, das muss ich dem Leser sagen, ist ein großer Künstler; er ist mein Freund.
Neandertaler | Foto, aufgenommen im Museum: Ghimel Lehmig
Mit diesem „Deja-vu-Gefühl“ betrat ich in das Museum. Die Arbeitsstätte schaute ich mir an. Die Menschen der Steinzeit hatten gelernt, Waffen zu schlagen aus Feuerstein. Der Faustkeil, das scharfe Messer, die Pfeilspitze, diese Waffen wurden in die damals bewohnte Welt exportiert. Selbst in Amerika fanden sich Relikte, die eindeutig der Herstellung nach aus dieser Fabrik stammten. Es war der Homo sapiens, der dann diese Technologie perfektionierte.
Prähistorischer Waffenfabrikant | Foto: Ghimel Lehmig
Und da geschah das, was mir immer wieder geschieht, wenn ich meine Baustellen aufsuche. In einer Vitrine versteckt fand ich 2 Kunstwerke vom Allerfeinsten. Diese waren nur wenige Zentimeter hoch: Prähistorische Figuren. Mein Freund Lüpertz – das hab ich geahnt – hat schon damals gelebt. Ja wer hätte das gedacht! Da war eindeutig der Dandy Lüpertz am Werk. Hat er seine Spuren damals hinterlegt?
Bitte verzeiht mir, liebe Leser: das sind genau die Momente, die mich immer wieder erstaunen. Ich sah die Gleichzeitigkeit allen Geschehens in diesem kurzen Moment eingefangen. Durch Künstlerhände sind diese kleinen Objekte gegangen, damals und heute. Ja, die Kunst ist eine Offenbarung.
Prähistorischer Figuren | Fotos: Ghimel Lehmig ©
Jedoch, das muss auch gesagt werden: dieselben Hände haben scharfe Faustkeile aus Feuerstein geschlagen, zum Töten von Tier und Feind. Das zu wissen und zu akzeptieren ist die andere Kunst.